Stop Feminizide: Aktion und Infos – Triggerwarnung Feminizide !

Inhaltsverzeichnis


Tour gegen Feminizide

Zwischen dem 30. August und 01. September 2024 organisiert das Kollektiv «Gemeinsam gegen Feminizide» eine Tour gegen Feminizide. Wir sind mit einer Aktion dabei.


Aktion und Austausch in Bern

Zum Gedenken an die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt verteilen wir am 30. und 31. August rote Schuhe in der Stadt Bern, inspiriert von der internationalen Kunstaktion «Zapatos Rojos» der Mexikanerin Elina Chauvet. Zum Abschluss der Aktion treffen wir uns am Sonntag, 01. September um 17:00 Uhr im Monbijoupark, um uns über das Thema Feminizide auszutauschen.


Feminizide im Jahr 2024

Alle zwei Wochen wird in der Schweiz eine FLINTA-Person durch ihren Ehemann, Lebensgefährten, Ex-Partner, Bruder oder Sohn getötet. Allein dieses Jahr wurden bereits 11 Frauen getötet (stand 23. August).

  • 5. Januar 2024, Allaman, Waadt. Die Frau wurde 46 Jahre alt.
  • 15. Januar 2024, Wädenswil, Zürich. Die Frau wurde 56 Jahre alt.
  • Ende Januar 2024, tot aufgefunden bei Laufen-Uhwiesen, Zürich. Die Frau wurde 27 Jahre alt.
  • 13. Februar 2024, Binningen, Basel-Landschaft. Die Frau wurde 38 Jahre alt.
  • 16. März 2024, Vevey, Waadt. Die Frau wurde 40 Jahre alt.
  • 25. März 2024, Frauenfeld, Thurgau. Die Frau wurde 74 Jahre alt.
  • 21. Mai 2024, Männedorf, Zürich. Das Alter der Frau ist nicht bekannt.
  • 4. Juni 2024, Knonau, Zürich. Die Frau wurde 78 Jahre alt.
  • 6. Juli 2024, Sursee, Luzern. Das Alter der Frau ist nicht bekannt.
  • 28. Juli 2024, Vétroz, Wallis. Die Frau wurde 55 Jahre alt.
  • 8. August 2024, Basel. Die Frau wurde 75 Jahre alt.
  • 24. August 2024, Zürich. Die Frau wurde 38 Jahre alt.

Unsere Forderungen

  • Ausbau der Täterarbeit in Form von Beratungsstellen und Lernprogrammen, sowie schulischer Jugendarbeit, die Männlichkeits-vorstellungen und Geschlechterrollen kritisch hinterfragt.
  • Traumainformierte Betreuung von Betroffenen versuchter Feminizide bei Gerichtsverfahren 
  • Eine gesamtschweizerische Statistik über (versuchte) Feminizide und die Hintergründe und Motive der Tat 
  • Studien zu geschlechtsspezifischer Gewalt (Link zu Forderung zur Erfassung) 
  • Gesellschaftliche und politische Gleichstellung der Geschlechter
  • Mehr Platz in Frauenhäusern für schutzbedürftige Frauen und Kinder (Link zu Schutzplätzen) 
  • Kostendeckende Finanzierung der Opferhilfe- und Beratungsstellen
  • Verschärfung des Waffengesetzes
  • Verantwortungsvolle und korrekte Berichterstattung der Medien (Link zur ausführlichen Forderung) 
  • Konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention (Link zur Istanbul Konvention)

Appell an die Medien

Wir fordern Medien auf Feminizide und Gewalt gegen Frauen nicht länger zu verharmlosen.

Medienberichte verharmlosen Feminizide und Gewalt gegen Frauen. Eine Studie von Gender Equality Media e.V. in Deutschland hat gezeigt, dass 2021 92 Prozent der gezählten Medienartikel Gewalt gegen Frauen verharmlosen. Verharmlosende Begriffe wie Bluttat, Familiendrama, Beziehungstat oder sogar Sextäter waren dabei die am häufigsten verwendeten Begriffe, um Gewalt gegen Frauen klein zu reden. Eines haben all diese Wortschöpfungen gemeinsam – sie verfälschen Tatbestände, bagatellisieren und verschweigen das strukturelle Ausmass von Gewalt gegen Frauen systematisch. Diese Begriffe rücken partnerschaftliche Gewalt ins Private (Beziehung) und banalisieren diese auch als Einzeltaten (Drama). Mit diesen Begriffen wird die Tötung nicht benannt. Darüber hinaus tun sich Medien besonders gut daran, über das Tatmotiv zu spekulieren, was dann zumeist auf Eifersucht hinausläuft. Auch in der Justiz und bei der Polizei ist Eifersucht als Motiv fest verankert. Dadurch wird nicht nur systematisch die Täterperspektive eingenommen und die männlichen Besitzansprüche in den Vordergrund gerückt. Die Täter selbst werden häufig als unzurechnungsfähige Einzeltäter beschrieben. Die Berichterstattung erweckt dabei den Eindruck, dass es sich bei den Taten um aussergewöhnliche Schicksalsschläge handelt, um Einzelfälle, die tragisch und erschütternd sind, für die es aber keine rationale oder gar systematisch-strukturelle Erklärung gibt.

Anstatt die gesamtgesellschaftliche Problematik – wie etwa gängige Männlichkeits- und Weiblichkeitsideale, die Gesetzeslage, das geschlechterstereotype Verhalten der Amtsträger*innen in den Behörden oder bei der Polizei, mangelnde Unterstützungsangebote wie Programme zur Prävention von Gewalt, Schutzhäuser oder Beratungsstellen oder besondere Abhängigkeiten aufgrund von Geld oder Aufenthaltsstatus – miteinzubeziehen, werden im Rahmen der Berichterstattung oft allein die persönlichen Beziehungskonflikte als Ursachen und Motive angeführt Darüber hinaus wird Gewalt gegen Frauen medial ausgeschlachtet. Je blutiger und grausamer ein Angriff gegenüber Frauen ist, desto voyeuristischer und profitgieriger wird die Tat in den Medien aufgegriffen. Nicht selten wird dabei ausschliesslich aus der Täterperspektive berichtet. Einzelheiten der Tat werden detailliert beschrieben, manchmal sogar bis hin zur Unterwäsche des Opfers. Solche Details haben nichts in der medialen Berichterstattung zu suchen. Sie bedient das Narrativ der Täter-Opfer-Umkehr: Die Opfer waren nicht vorsichtig genug und tragen deswegen eine Mitschuld.

Bei Feminiziden, bei denen der Täter nicht als Schweizer definiert wird, wird dabei häufig von sogenanntem «Ehrenmord» berichtet. Nur, wenn von «Ehrenmord» die Rede ist, wird die Tötung sprachlich überhaupt aufgegriffen. In der Regel wird sie dabei aber durch antimuslimischen Rassismus instrumentalisiert, indem die Tat fremd dargestellt wird. So entsteht das Bild einer Bedrohung, die nichts mit der schweizerischen Gesellschaft zu tun habe, sondern von einer angeblich fremden Kultur oder Religion importiert worden sei. Dieser Mechanismus zeigt sich unter anderem dann, wenn eine Betonung der Nationalität oder Herkunft des Täters das Verstehen und die Vermittlung der Geschlechtsspezifik der Taten überlagert. Die feministische Bewegung konnte erwirken, dass immer mehr Medienschaffende die Begriffe Femizid/Feminizid verwenden. Dies zeigt auf, dass der Druck von der Strasse wirksam ist. So hat die Schweizer Tageszeitung «20 Minuten» ein Gremium für soziale Verantwortung eingerichtet, das die Verwendung einer respektvollen und gewaltfreien Sprache unter Journalist*innen fördern soll, auch wenn sie über Gewalt gegen Frauen berichten. Wir bleiben dran und fordern die Medien zur konsequenten feministischen Berichterstattung auf! 

Wir fordern die Schweizer Medien auf, feministisch über Feminizide und geschlechtsspezifische Gewalt zu berichten. Wir fordern sie auf, die systematisch-strukturellen Ursachen für diese Gewalt im patriarchalen System zu benennen und keine verharmlosende, voyeuristische und rassistische Berichterstattung zu machen.


Schutzplätze und Beratungsangebote = Prävention vor Feminiziden

In der Schweiz steigt der Bedarf an Frauenhausplätzen seit Jahren. Die Frauenhäuser sind chronisch überlastet.

«Die Zahl der Frauen, die Schutz suchen, hat in den letzten Monaten zugenommen. Gleichzeitig fehlen in der Schweiz genügend Schutzplätze», schreibt die Dachorganisation Frauenhäuser Schweiz und Liechtenstein (DAO) in einer Mitteilung im Juni 2024. 

Mit nur 0,23 Familienzimmer pro 10’000 Einwohner*innen unterschreitet die Schweiz die Empfehlung des Europarates von einem Familienzimmer pro 10’000 Einwohner*innen bei Weitem. Die DAO fordert darum ein schnelles Handeln der Behörden. Und das nicht zum ersten Mal. 

Im Jahr 2023 Jahr waren die beiden Frauenhäuser im Kanton Bern zu 86% ausgelastet. Zudem mussten diverse Schutzsuchende mit ihren Kindern aus Platzmangel in Hotels platziert werden. Frauenhäuser sind Kriseninterventionsstellen. Ihre durchschnittliche Auslastung sollte gemäss der Konferenz der kantonalen Sozialdirektor*innen nicht höher sein als 75%. Trotzdem plant der Kanton in der neuen Opferhilfestrategie keine weiteren Frauenhausplätze. 

Im Kanton Bern fehlen zudem Schutzplätze für Menschen mit spezifischen Bedürfnissen. Wo finden beispielsweise von häuslicher Gewalt betroffene Menschen mit körperlicher, psychischer oder kognitiver Beeinträchtigung oder Menschen mit Suchterkrankungen Schutz und Unterkunft? Wo finden non-binäre Menschen oder trans Frauen, die teilweise männlich gelesen werden und deswegen in Frauenhäusern nicht aufgenommen werden und für die Frauenhäuser ev. nicht sichere Orte sind Schutz, wenn sie gewaltbetroffen sind? Auch für von häuslicher Gewalt betroffene Mädchen, junge Frauen und queere Jugendliche fehlen Schutzunterkünfte, die ihren spezifischen Bedürfnissen als junge Personen und dem allfällig hohen Bedarf an Sicherheitsmassnahmen gerecht werden. Der Kanton Bern hat sich gegen die Finanzierung eines Mädchenhauses ausgesprochen und will stattdessen von häuslicher Gewalt betroffene Mädchen und junge Frauen in Frauenhäusern oder Jugendinstitutionen platzieren lassen. Diese Institutionen werden aber jugendlichen Personen in Gefährdungssituationen nicht gerecht! 

Durch die Verankerung von Sanktionen für Tatpersonen ohne Schweizer Staatsangehörigkeit in der Opferhilfestrategie plant der Kanton faktisch eine Einschränkung des Zugangs zur Opferhilfe.

Konkret schreibt der Kanton im Bericht zur Opferhilfestrategie 2023-2033: «Wer im Kontext Asyl und Flüchtlinge sowie allgemein im Migrationsbereich häusliche Gewalt oder eine andere Art von Gewalt ausübt (Schlägereien), wird systematisch sanktioniert. Die Sanktionen können beispielsweise das Aussetzen […], die Kürzung bzw. Einstellung der Sozialhilfe darstellen.» Dieses Vorhaben ist auf mehreren Ebenen eine Form von struktureller Gewalt. Einerseits handelt es sich um strukturellen Rassismus, wenn gegenüber Gewalt ausübenden Personen ohne Schweizer Staatsangehörigkeit anders vorgegangen wird, als gegenüber solchen mit Schweizer Staatsangehörigkeit. Andererseits muss sich die Opferhilfe konsequent an den von Gewalt betroffenen Personen und deren Bedürfnissen ausrichten.

Der Umgang mit Tatpersonen ist nicht Teil der Opferhilfe und soll auf keinen Fall auf diese rassistische Weise Teil der kantonalen Opferhilfestrategie werden! Insbesondere bei häuslicher Gewalt ist es zentral, dass betroffene Menschen Hilfe bekommen, ohne Ängste, dass behördlich gegen die gewaltausübenden Personen vorgegangen wird. Dies ist ein Grundsatz der Opferhilfe und muss für alle gelten! Anderenfalls ist für viele gewaltbetroffene Personen die Hürde zu hoch, um sich Unterstützung zu holen. Und dies kann lebensgefährlich sein!


Wir fordern mehr Schutzplätze und Beratungsangebote

Niederschwellig zugängliche Schutzplätze und Beratungsangebote sind unerlässlich für die Prävention vor Feminiziden! Wir fordern deshalb:

  • Genügend Schutzplätze!
  • Niederschwellig zugängliche Schutzplätze und Beratung!
    • Beratungsangebote in den verschiedenen Regionen
    • 24h professionelle Telefonberatung für alle
    • Keine Verflechtung von Opferschutz und Sanktionen für Tatpersonen ohne CH Staatsangehörigkeit!
  • Auf Bedürfnisse zugeschnittene Schutzplätze!
    • Barrierefreie Schutzplätze für Menschen mit körperlicher, geistiger oder Sinnes-Beeinträchtigung
    • Schutzplätze für Menschen mit psychischen Erkrankungen inkl. Suchterkrankungen
    • Passende Schutzplätze für queere Erwachsene und Jugendliche
    • Ein Mädchenhaus im Kanton Bern
    • Genügend Schutzplätze für Mütter mit vielen Kindern

Wir fordern die statistische Erfassung von Feminiziden!

Wir fordern die statistische Erfassung von Feminiziden! Feminizide werden aktuell in der amtlichen nationalen Statistik nicht als Kategorie «Femizide/Feminizide» erfasst. Das führt dazu, dass sie nicht als gesellschaftliche Tatsache anerkannt werden und dem öffentlichen Bewusstsein und politischen Handeln verborgen bleiben (FREI, 2022).  Wie Tamara Funiciello in einem Redebeitrag im Nationalrat am 2. Juni 2021 ausführt: 

  1. Sprache ist Macht, und Sprache schafft Realitäten. Heute wird gerade in den Medien zu häufig von «Familiendramen» gesprochen, wenn es sich um Femizide handelt. Wenn wir den Begriff in unser Strafgesetzbuch aufnehmen, haben wir die Möglichkeit, diese spezifische Konstellation von Morden richtig zu benennen. Solche Morde haben nichts mit Liebe und nichts mit Drama zu tun, sondern mit Hass und Gewalt. Das sollten wir auch so benennen.
  2. Wir haben ein Problem mit unserer Statistik. Heute wird in der Kriminalstatistik nur ein Teil der Femizide erfasst, nämlich jene, die im häuslichen Rahmen stattfinden. Solche, die von Verwandten oder Expartnern begangen werden, bei denen kein häuslicher Kontext besteht, werden nicht erfasst. Das gilt auch bei Tötungen durch Unbekannte aufgrund von Hass auf Frauen, also Misogynie. Frauenhass gehört in unser Strafrecht, denn es ist ein Motiv für Gewalt. Je schneller wir das erkennen, desto besser können wir endlich handeln.
  3. Die Istanbul-Konvention, die wir ratifiziert haben, verlangt, dass Femizide nicht weniger hart bestraft werden als andere Tötungsdelikte.

Eine bessere Datenlage zum Ausmass der Gewalt an Frauen und insbesondere zu Feminiziden ist unerlässlich, um diese Taten nicht nur festzustellen, sondern auch, um Massnahmen zur Verhinderung dieser Taten zu formulieren. Jedoch gibt es in der Schweiz immer noch keine offizielle Stelle, die Feminizide systematisch aufzeichnet und eine Statistik über Tötungen aufgrund des Geschlechts führt. Statistiken sind so auch Teil des patriarchalen Systems. Durch die aktuellen Statistiken besteht die Gefahr, dass ein unvollständiges, verzerrtes und irreführendes Bild entsteht.

Deshalb wird diese Arbeit aktuell durch Organisationen der Zivilgesellschaft verrichtet.  Das Projekt «stoppfemizid.ch» hat anhand von Berichterstattungen gezählt, dass es Stand heute (23. August 24) allein in diesem Jahr in der Schweiz bereits 11 Feminizide zu beklagen gibt. 


«Femizid» oder «Feminizid»

Im deutschsprachigen Gebiet wird häufig der Begriff Femizid gebraucht, nach WHO definiert als «absichtlicher oder/und versuchter Mord an Frauen, weil sie Frauen sind».

Lateinamerikanische Aktivist*innen haben den Begriff Feminizid geprägt, da dieser die gesellschaftlichen Machtstrukturen klarer im Mord gegen Frauen oder als Frauen gelesene Personen heraushebt. Das bedeutet, dass auch der Staat Verantwortung trägt, da er die patriarchale Ordnung reproduziert, in der ein Feminizid ausgeübt wird. Der Begriff Feminizid ist zudem inklusiver angedacht, da er Personen miteinbezieht, die als Frauen gelesen werden, die jedoch nicht- binär oder trans Männer sind.

Femizid wie auch Feminizid werden in der Literatur abwechselnd verwendet. 


Ausserhalb der «Norm»

Geschlechtsspezifische Feminizide werden unter anderem verübt, wenn das Verhalten einer Frau* nicht im Einklang mit den sozialen Normen der Dominanzgesellschaft oder dem stereotypen Geschlechtsrollenverhalten ist.

Das gilt etwa für nicht «normgemässe» sexuelle Orientierungen, Geschlechts-identitäten und/oder Geschlechtsmerkmale. Leider erfassen die aktuellen statistischen Erhebungen Feminizide an FLINTA+*-Personen nicht spezifisch.


Gewaltpyramide

Gewalt gegen FLINTA baut auf verschiedenen Formen von Sexismen auf, deren Fundament die patriarchalen Vorstellungen von Geschlechterrollen bilden. Feminizide stellen dabei die Spitze der Pyramide dar.

Die Kontrolle von FLINTA zeigt sich in allen Stufen der Pyramide: Sexualisierung und Objektifizierung, Absprechen der Selbstbestimmung, sexuelle Belästigung und psychische sowie physische Gewalt. Bei all diesen Gewaltformen geht es um die Machtausübung gegenüber FLINTA. Feminizide an der Spitze: Das Leben einer FLINTA wird beendet, um maximale Kontrolle und Macht über sie auszuüben.


Rechtslage in der Schweiz

In der Schweiz gibt es keine strafrechtliche Definition für Feminizide. Solche Taten wird als Mord oder Totschlag verurteilt. Pläne zur Verwendung des Begriffes Feminizid wurden vom Ständerat wiederholt abgelehnt, zuletzt 2020. Es wird argumentiert, dass das Strafgesetzbuch grundsätzlich geschlechtsneutral ausgestaltet wird: Die Tötungsdelikte werden nur nach der Schwere der Straftat unterteilt (vorsätzliche Tötung: art. 111, Mord: art. 112, Totschlag: art. 113), inklusive einer versuchten Straftat.

Den Begriff Feminizid gibt es im Strafgesetzbuch also nicht. Die Istanbul-Konvention (art. 3(d)) versteht aber unter «geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen» Gewalt, die gegen eine Frau gerichtet ist, weil sie eine Frau ist, oder die Frauen unverhältnismässig stark betrifft.

Gemäss der Konvention (art. 12(1)) muss die Schweiz – präventiv – auch Massnahmen ergreifen, um die sozialen und kulturellen Verhaltensmuster von Frauen und Männern zu verändern, d.h. Vorurteile, Bräuche, Traditionen beseitigen, die auf der Vorstellung der Unterlegenheit der Frau oder auf Rollenzuweisungen (Stereotypen) für Frauen und Männer beruhen. Die Konvention muss v.a. ohne Diskriminierung umgesetzt werden, d.h. insbesondere das biologische, soziale Geschlecht, die sexuelle Ausrichtung, die Geschlechtsidentität, das Alter, den Migrations- oder Flüchtlingsstatus in der Umsetzung berücksichtigen (art. 4(3)). Das ist in der Schweiz aktuell nicht der Fall. 

Solange Behörden, Justizbehörden, die Polizei und die Verwaltung die Istanbul-Konvention nicht ernst nehmen, zeigen die aktuellen Statistiken nur die Spitze des Eisbergs von Feminiziden.


Istanbul-Konvention

Die Schweiz hat 2017 die Istanbul-Konvention ratifiziert, das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Die Konvention hat das Ziel, geschlechtsspezifische und familiäre Gewalt an ihren Wurzeln zu bekämpfen und die Rechte der Gewaltbetroffenen auf Unterstützung und Schutz durchzusetzen. Sie definiert geschlechtsspezifische Gewalt als Menschenrechtsverletzung und eine Form von Diskriminierung gegenüber Frauen und Opfern häuslicher Gewalt.

Im November 2022 wurde die Schweiz von GREVIO (unabhängige Expert*innengruppe, die für die Überwachung der Umsetzung der Istanbul-Konvention durch die Vertragsparteien verantwortlich ist) gerügt, Massnahmen zu ergreifen: Der Bericht zeigt z.B. auf, dass die Schweiz Daten über Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt mangelhaft erhebt.


Solidarische und anonyme Hilfe bei Gewalt gibt es bei diesen Anlauf- und Beratungsstellen

Opferhilfe Bern
Für alle Geschlechter, Erwachsene, Kinder und
Jugendliche
031 370 30 70
beratungsstelle@opferhilfe-bern.ch

Lantana Bern
Fachstelle Opferhilfe bei sexueller Gewalt
Für Frauen, Kinder und Jugendliche
031 313 14 00
info@lantana-bern.ch

Frauenhäuser Kanton Bern
Biel/Bern/Berner Oberland
info@solfemmes.ch
info@frauenhaus-bern.ch info@frauenhaus-thun.ch

AppElle!
24-Stunden-Hotline der Frauenhäuser
031 533 03 03

Inselspital Bern
Medizinische Versorgung und Spurensicherung nach sexualisierter Gewalt
031 632 12 60 oder
031 632 10 10 (im Notfall, ausserhalb der Bürozeiten)

Dargebotene Hand
Telefon-Seelsorge Tel. 143

Vista Thun
Fachstelle Opferhilfe bei sexueller und häuslicher Gewalt
033 225 05 60
info@vista-thun.ch

«BIF»
Frauenberatung bei Gewalt in Ehe und Partnerschaft
044 278 99 99
info@bif.ch

«FIZ»
Fachstelle Frauenhandel & -migration
044 436 90 00
contact@fiz-info.ch

Mädchenhaus Zürich
044 341 49 45
info@maedchenhaus.ch


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